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Sonntag, 23. Dezember 2007
gombrowicz, topic: Sprachliche Streifzuege, 10:00h
(Ein Beitrag von Theresa Elze)
Im englischen Sprachgebrauch existieren heute mehrere Begriffe für Grenze, welche die unterschiedlichen Bedeutungsebenen des Wortes Grenze implizieren. In den Wörterbüchern der englischen Sprache sind die folgenden Begriffe für das Phänomen der Grenze festgeschrieben: border, boundary, frontier, limit und margin. Diese Begriffe werden nun jedoch nicht immer eindeutig verwendet, aber sie verweisen auf die verschiedenen Grenzgegebenheiten. Im Hinblick auf die Ambivalenz der Grenze können die englischen Verwendungen frontier und boundary uns aufgrund ihrer verschiedenen Bedeutungsebenen interessieren. Der amerikanische Geograph Ladis Kristof hat die Begriffe frontier und boundary untersucht, wobei er beide als verschiedene Prinzipien versteht, die unter bestimmten Gesichtspunkten gegensätzlich sind. Boundary ist in Kristofs Betrachtung ein imaginäres Band, welches eine Einheit aus politischen Gesetzen herstellt. Weiterhin leistet boundary die territoriale Bindung der Gesetze (Kristof 1959: 271). Was bei Kristof ein imaginäres Band oder eine abstrakte Linie ist, wird auch in die Realität übertragen. In den Monumenten des Grenzschutzes wird der Versuch erkennbar, dieses imaginäre Band manifest zu machen. Boundary steht hier für Grenzlinien zwischen Staaten mit den markierenden Monumenten des Grenzschutzes. In Bezug auf den Begriff frontier sind vor allem zwei Bedeutungsschwerpunkte auszumachen. Kristof verwendet ihn für die Front einer vorstoßenden imperialen Kraft. Frontier ist hier keine abstrakte Linie, sondern eine Zone, die durch die frontiers men bestimmt wird. Diese übt auf die frontiers men eine Attraktion aus, in dem Sinne, dass sie ein besseres Leben verspricht (Kristof 1959: 271). Front, frontier und frontiersmen finden sich beispielhaft in der amerikanischen Geschichte der weißen Siedler (Frederic Jackson Turner hat den Begriff frontier für ein Konzept amerikanischer Geschichte verwendet als meeting point between savagery and civilization (Turner [1974] 1986)). Diese Betrachtung ist hier bedeutsam, da sie deutlich macht, dass es sich bei frontier um ein reales Gebiet handelt und nicht um eine trennende Linie (trotz des gemeinsamen Ursprungs im Lateinischen haben das französische Wort frontière und das englische Wort frontier in ihrer Bedeutung, nach den historisch etymologischen Veränderungen, heute wenig gemeinsam). Da zusätzlich in diesem Gebiet keine wirkliche Einheit aus Gesetzen herrscht, wie sie durch boundary erzeugt wird und da sich hier verschiedene Wirklichkeiten treffen, besitzt frontier eine Eigengesetzlichkeit. Diese entspringen im Kontrast zu staatlichen Gesetzen dem informellen Rahmen. Die Tatsache, dass frontier in Bewegung ist, stellt für die frontiersmen eine Attraktion dar. Der englische Begriff frontier wird im heutigen englischen Sprachgebrauch in einem weiteren Sinn für die ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen Gegebenheiten, die für die Grenzbevölkerung und den Grenzraum bedeutsam sind, verwendet. In der hier vorliegenden Betrachtung ist frontier kein Frontgebiet einer expansiven Kraft. Vielmehr ist es das Gebiet, das von der trennenden und zwei Wirklichkeiten erzeugenden Demarkationslinie (wie auch den hier aufgebotenen Akteuren und Objekten zum Schutz derselben) und den hiermit in Zusammenhang stehenden Umgangsweisen von Handelnden, deren Interessen sich nicht mit dem Schutz der Grenze in Einklang bringen lassen, bestimmt wird. Dadurch kommt es zu einer Abwandlung dieser Linie, indem diese in Bewegung gerät, zum Schwingen kommt. Die Grenze besteht demnach aus einer Linie, wie es durch die Begriffe Grenze, granica, frontière und boundary verdeutlicht wird. Dieser Linie ist jedoch immer ein Gebiet zuzuordnen, in dem sich ihr konstruktiver Charakter zeigt, denn hier verliert sie an Klarheit. Im Deutschen lässt sich hierfür, wie schon erwähnt, das Wort Grenzgebiet verwenden und im Polnischen das Äquivalent pogranicze. Grenzgebiet und pogranicze bezeichnen dabei nicht nur eine räumliche Ausdehnung der Grenze, sie wird hier auch weicher. Hier erfährt die Grenze obendrein eine Ausdehnung in ihrer sozialen, politischen und ökonomischen Wirkung auf die Menschen in einem Grenzgebiet. In diesem Gebiet wird zugleich auf die Grenze durch die dort handelnden Menschen eingewirkt. Grenzgebiet und pogranicze liegen dabei nicht nebeneinander, vielmehr überschneiden sie sich. Die Gesamtheit des hier behandelten begrifflichen Programms verdeutlicht die Dimensionen der Grenzthematik: Festigkeit, Stillstand und Stabilität geraten in Spannung mit Bewegung und Wandel. Die Ambivalenz der Grenze veräußert sich hier im Widerspruch von Grenzlinie und Grenzgebiet. |
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