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Freitag, 21. Dezember 2007

(Ein Beitrag von Theresa Elze)

Die Ambivalenz der Grenze wird deutlich, wenn man Begriffe zu dem Phänomen der Grenze, wie sie in anderen Sprachen vorkommen, in die Betrachtung einbezieht. Ein Blick in das Französische ist notwendig, da es im europäischen Raum viele Untersuchungen zu den französischen Grenzen gibt (siehe zum Beispiel Braudel 1989 und Sahlins 1989). Im Zusammenhang mit Grenzen finden sich im Französischen die Begriffe fin, limite und frontière, wobei frontière heute mit den anderen Begriffen verschmolzen ist und im Französischen heute die gängigste Verwendung für Grenzen darstellt. Der französische Historiker Lucien Febvre hat neben seinen historischen Untersuchungen zu den französischen Grenzen auch die französische Begrifflichkeit der Grenze einer Betrachtung unterzogen. Das französische Wort frontière hatte in der Sprache des Mittelalters zunächst zwei Bedeutungen. Bezogen auf die Architektur bezeichnete es die Fassade einer Kirche. Die andere Bedeutung war militärisch einzuordnen und bezog sich auf die Frontlinie einer dem Feind gegenüber gestellten Truppe in einer Schlacht. Beide Bedeutungen unterstreichen die ursprüngliche Herkunft des Wortes frontière, das sich von dem Adjektiv front ableitet. Im Sinne der beiden oben genannten Bedeutungen wurde das Adjektiv schließlich als Substantiv gebraucht. Warum sich nun die Bedeutung des Begriffes insofern gewandelt hat, dass er zur Bezeichnung der Begrenzung von Boden, Land und Provinzen im territorialen Sinne verwendet wurde, lässt sich mit dem Wort ville erklären. Wie auch eine Truppe, widersetzt sich eine Stadt dem Feind mit einer Befestigungsanlage, beispielsweise in Form einer Mauer. Eine im 15. Jahrhundert bereits gängige Redewendung lautet elle fait frontière, was im deutschen die Entsprechung in der Redewendung „sie bietet die Stirn hat“. Heute wird das französische Wort frontière vielfältig gebraucht. Es ist synonym mit dem französischen Wort limite. Als die ersten kleinen Staaten entstanden, ging deren Verteidigung oft von ihrem Mittelpunkt aus und der Außenrand war gekennzeichnet durch Markierungen, die aber nicht der Befestigung dienten. Diese Markierungen lassen sich als fins bezeichnen. Die limites hingegen waren Demarkationslinien zwischen Ländereien, die im Besitz verschiedener Eigner waren. Im Vorfeld der Französischen Revolution war die Tendenz erkennbar, dass die verschiedenen Länder sich innerhalb klar umrissener Grenzen zusammenschlossen. An die Stelle der limites trat die präzise festgelegte frontière, die durchgezogene Demarkationslinie. Die Ausbildung einer politischen Souveränität, gekoppelt an einen Boden, verfestigte und stärkte die Demarkationslinie. Diese Linie, als limite bezeichnet, wurde zu einer Spalte zwischen getrennten Nationen; sie wird moralisch aufgeladen und im Folgenden als frontière bezeichnet. So sind die Bezeichnungen limite und frontière Synonyme geworden (Febvre 1953: 27ff.).

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