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Freitag, 28. Dezember 2007

(Ein Beitrag von Olim devona)

Zentralasien kann man sich vor der Eroberung und Kolonisierung Dritter im 19. Jh. als einen zusammenhängenden kulturellen Großraum vorstellen. Die Menschen in diesem Raum waren sunnitische, schiitische und ismaelitische Muslime, mongolische oder tibetische Buddhisten und Mandarine und teilten sich in persischsprachige,
türkischsprachige, mongolische, tibetische oder chinesische Volksgruppen auf. Es gab städtische Kulturen, ländliche sesshafte Strukturen, nomadisierende Viehzüchter und Dienstleistungsnomaden. Das Gebiet teilte sich zwar in große Fürstentümer auf, die in verschiedene geographische Richtungen tributpflichtig
waren, doch deren Grenzen existierten nur für die Beamten des Staates, nicht für jeden seiner in ihm lebenden Einwohner. Die das Individuum kontrollierende Moderne schlummerte noch.

Karte des vorkolonialen Zentralasien , via

Pashtunen, Turkmenen, Kasachen und Kirgisen trieben riesige Viehherden zum Verkauf aus dem Norden oder Süden in die städtischen Zentren Chiwa, Buchara, Kabul, Kashgar, Hotan oder Ghuldzha manchmal über tausende Kilometer. Zunftshandwerker zogen in verschiedene Städte, von Samarkand nach Dehli und zurück, um dort ihre Kunstfertigkeit allerlei Baumeistern anzubieten. Reiche Bauern und Städter besuchten den Nahen Osten und die heiligen Stätten des Islams als Pilgerer. Obwohl das Gebiet einige der höchsten Berge sein Eigen nennt, ist Zentralasien das Gebiet der Passagen. In dem Gebiet fällt dem Betrachter der Geschichte nicht nur die hohe Mobilität auf, sondern auch die hierfür existierenden Infrastrukturen und kulturell sowie ökonomisch verankerte Grundlagen von Mobilität.
Wie wichtig gerade in diesem Gebiet die Mobilität war, zeigt schließlich auch das Schlagwort "Seidenstraße'', mit dem Zentralasien untrennbar verknüpft zu sein scheint.

Als im 19. Jahrhundert längst existierende Territorialstaaten wie England, Rußland oder China ihre Imperien bis nach Zentralasien ausdehnen bzw. festigen, beginnt ein schleichender Prozess der Modernisierung, der schließlich in den Modernisierungsexzessen sowjetischer und chinesischer Provinienz endet und zu einer Aufspaltung in drei Kulturzonen: Sowjetisch-Mittelasien, China (Sinkiang) und Afghanistan/Pakistan führte.

Die Imperien waren es, die auf die Kulturzone Zentralasien ein Netz von Grenzen legten, die zwar staatsherrschaftlich (Steuern, militärische Präsenz usw.) relevant waren, für das Individuum jedoch keine absoluten Grenzen darstellten. Der Amu darya zwischen Afghanistan und Turkistan war vor allem nass aber keine hermetische Grenze. Zwar hatte die russische Kultur sukzessive auch im Alltag der lokalen Bevölkerung an Gewicht gewonnen, man konnte sich ihr jedoch auf mannigfaltige Weise entziehen. Das änderte sich mit der Abschottung der Sowjetunion nach Außen. Ab den frühen 1930er Jahren können wir davon ausgehen, dass die südliche Grenze zum Iran und nach Afghanistan schier unüberwindlich geworden war.

In allen drei Zonen, der sowjetisch, der chinesisch und der afghanisch, britisch dominierten Gebiete kam es seit ihrer Vereinnahmung im 19. Jahrhundert zu internen Grenzziehungen: Der moderne Staat schaffte sich seine Verwaltungsgrenzen. Ein genaurer Blick auf Turkistan.
Auf die Bildung der Autonomen Sowjetrepublik Turkistan 1921, ein fast territoriumsgleicher Nachfolger des 1863 gegründeteten Generalgouvernements Turkistan, folgte 1924 die Bildung der Sowjetrepublik Usbekistan, das Ergebnis einer ersten großen Gebietsreform. Dieser folgte einer Kampagne zum Transfer administrativ erdachter Nationskategorien in die lokale Wirklichkeit mit dem klingenden Namen Einwurzelung (korenizaciya). Die
vormals von lokalen Zugehörigkeiten geprägten Identitäten (al Farghoni, al Buchari) sollten nun in größere staatstragende Entwürfe einmünden: Tadschike, Usbeke, Turkemene, Kasache und Kirgise. Jedoch war eine durch Sprache definierte Nation, deren Machtstütze immer die Souveränität über ein Territorium ist, in Mittelasien schlichtweg irreal, da z.B. im Ferghanatal, kirgisische Nomaden mit turksprachigen Bauern koexistierten, die
Stadtbevölkerung einmal entweder vor allem Tadschikisch (Samarkand,
Buchara, Xodjand, Baghdod, Chust) oder Türkisch (Taschkent,
Kokand, Namangan, Andidschan) geprägt war. Zwar ging das stalinsche Konzept
"`ein Staat -- eine Nation"' komplett an den Realitäten Mittelasiens vorbei, es trug aber 1924 zur Bildung eines Autonomen Bezirks Tadschikistan innerhalb der Autonomen Sowjetrepublik Usbekistan bei. 1927 folgte aufgrund des tadschikischen Selbstbestimmungsstrebens die Abtrennung des Autonomen Bezirkes Tadschikistan und seine Umbildung zu einer eigenständigen Sowjetrepublik Tadschikistan. So hatte sich zum Ende der 20er Jahre die Gebietsreform komplementiert. Aus drei Gouvernements -- Transkaspien, Turkistan, die Steppe – entstanden fünf Sowjetrepubliken: Turkmenistan, Tadschikistan, Kirgistan, Kasachstan und Usbekistan.

Als die Sowjetunion zerfiel, die Blöcke sich auflösten, entstanden im nördlichen Zentralasien 5 Nationalstaaten. Die Folge davon war, dass Verwaltungsgrenzen nun zu Staatsgrenzen wurden. Diese Staatsgrenzen wiederum mussten gesichert werden, wollte der Staat Souveränität und Macht zeigen; für die über jegliche Grenzen hinweg lebende Lokalbevölkerung eine Tragödie. Zum Besuch der Oma in einer anderen Republik musste nun ein Visum beantragt werden. (Ausnahmen bilden hier das Verhältnis Kirgistan -- Tadschikistan und Kirgistan – Kasachstan.)

Zurück zum Ausgangspunkt. Zentralasien kann man sich auch mit der Eroberung und Kolonisierung Dritter im 19. Jh. als einen zusammenhängenden kulturellen Großraum vorstellen. Nur haben die jeweiligen Großsysteme Kapitalismus, Sowjetsozialismus und chinesischer Kommunismus ihre jeweiligen Prägestempel in den Gebieten hinterlassen. Eines dieser Neuerungen ist die Grenze als eine für jeden Staatsbürger verbindliche Instanz.

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Dienstag, 25. Dezember 2007

(Ein Beitrag von Olim devona)

Der Kulturreisende im nördlichen Mittelasien wird sich vielleicht informiert haben, welche Wörterbücher er in sein Gepäck versammeln sollte: ein Russisches, ein Tadschikisches für die Bergausflüge und jeweils eines aus den Turksprachen Usbekisch, Kasachisch, Kirgisisch. Nun hat sich der Reisende in den Kopf gesetzt, alles alleine zu machen, inklusive das mit der Reise von einem Staat in den anderen. In Ermangelung einer auf den internationalen Verkehr ausgelegten Infrastruktur sagt man ihm an einschlägigen Orten, er solle ein Taxi bis zur Grenze nehmen. Bis zur Grenze? Moment! Bekanntlich reicht es ja einem Taxifahrer zu sagen „Ich Grenze!“ und sicherlich auf noch das obligatorische „Wieviel?“

Ein Taxifahrer versteht das auf Anhieb. Nie würde er darauf kommen, dass der unbekannte Fremde ihm ein Gespräch über Phänomenologie aufzwingen wolle. Also das Worterbuch auf, und das Wort Grenze gesucht: granica im Russischen, chegara im Usbekischen, sarhad im Tadschikischen. Bei der Konfrontation mit dem Taxifahrer kommt zuerst die Enttäuschung: „Du Grenze? meinst Du tamozhnaya?“ Nun wirst Du wohl denken, dass hier ein Kommunikationsproblem vorliegt und enttäuscht den nächsten Taxifahrer ansteuern, bis Du weißt, das alle die zur Grenze sollen, nur nach tamozhnaya wollen. Das klingt jedoch durchaus plausibel, wenn Du weisst, dass tamozhnaya „Zoll“ heißt.

Obwohl Zentralasien durch die Sprache Tadschikisch und die Turksprachen Usbekisch, Kasachisch, Kirgisisch geprägt wurde, existiert das wortwörtliche Grenze im Sprachgebrauch eigentlich nicht. Die Lokale Bevölkerung bezeichnet nur dessen Übergang: die Zollstation tamozhnaya. Da dieses Wort ein Russisches ist, lässt sich leicht abschätzen, wer es in die Region brachte, und warum es zum Alltagswort geworden ist. Es charakterisiert nicht etwa eine territoriale Trennung, sondern an welchen Orten diese Trennung ihre Durchgangspunkt hat: am Zollhäuschen. So ist in den Augen der zentralasiatischen Lokalbevölkerung die Grenze nur an dem Punkte wichtig, an dem sie sie auch überwinden kann. Doch ist diese Bezeichnung durchaus doppelbödig. Denn in ihr schwingt die Bedeutung der Regulierung mit. Die Durchlässigkeit der Grenze wird hier per Augenmaß von Menschen, besser durch Repräsentanten des Staates justiert, die den Strom von Menschen und des Warenflusses betreuen und jede dieser Gelegenheiten auch wahrnehmen, zu ihrem kargen Staatsgehalt das eine oder andere Bündel hinzuzufügen.

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Sonntag, 23. Dezember 2007

(Ein Beitrag von Theresa Elze)

Im englischen Sprachgebrauch existieren heute mehrere Begriffe für Grenze, welche die unterschiedlichen Bedeutungsebenen des Wortes Grenze implizieren. In den Wörterbüchern der englischen Sprache sind die folgenden Begriffe für das Phänomen der Grenze festgeschrieben: border, boundary, frontier, limit und margin. Diese Begriffe werden nun jedoch nicht immer eindeutig verwendet, aber sie verweisen auf die verschiedenen Grenzgegebenheiten. Im Hinblick auf die Ambivalenz der Grenze können die englischen Verwendungen frontier und boundary uns aufgrund ihrer verschiedenen Bedeutungsebenen interessieren.
Der amerikanische Geograph Ladis Kristof hat die Begriffe frontier und boundary untersucht, wobei er beide als verschiedene Prinzipien versteht, die unter bestimmten Gesichtspunkten gegensätzlich sind. Boundary ist in Kristofs Betrachtung ein imaginäres Band, welches eine Einheit aus politischen Gesetzen herstellt. Weiterhin leistet boundary die territoriale Bindung der Gesetze (Kristof 1959: 271). Was bei Kristof ein imaginäres Band oder eine abstrakte Linie ist, wird auch in die Realität übertragen. In den Monumenten des Grenzschutzes wird der Versuch erkennbar, dieses imaginäre Band manifest zu machen. Boundary steht hier für Grenzlinien zwischen Staaten mit den markierenden Monumenten des Grenzschutzes. In Bezug auf den Begriff frontier sind vor allem zwei Bedeutungsschwerpunkte auszumachen. Kristof verwendet ihn für die Front einer vorstoßenden imperialen Kraft. Frontier ist hier keine abstrakte Linie, sondern eine Zone, die durch die frontiers men bestimmt wird. Diese übt auf die frontiers men eine Attraktion aus, in dem Sinne, dass sie ein besseres Leben verspricht (Kristof 1959: 271). Front, frontier und frontiersmen finden sich beispielhaft in der amerikanischen Geschichte der weißen Siedler (Frederic Jackson Turner hat den Begriff frontier für ein Konzept amerikanischer Geschichte verwendet als meeting point between savagery and civilization (Turner [1974] 1986)). Diese Betrachtung ist hier bedeutsam, da sie deutlich macht, dass es sich bei frontier um ein reales Gebiet handelt und nicht um eine trennende Linie (trotz des gemeinsamen Ursprungs im Lateinischen haben das französische Wort frontière und das englische Wort frontier in ihrer Bedeutung, nach den historisch etymologischen Veränderungen, heute wenig gemeinsam). Da zusätzlich in diesem Gebiet keine wirkliche Einheit aus Gesetzen herrscht, wie sie durch boundary erzeugt wird und da sich hier verschiedene Wirklichkeiten treffen, besitzt frontier eine Eigengesetzlichkeit. Diese entspringen im Kontrast zu staatlichen Gesetzen dem informellen Rahmen. Die Tatsache, dass frontier in Bewegung ist, stellt für die frontiersmen eine Attraktion dar. Der englische Begriff frontier wird im heutigen englischen Sprachgebrauch in einem weiteren Sinn für die ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen Gegebenheiten, die für die Grenzbevölkerung und den Grenzraum bedeutsam sind, verwendet. In der hier vorliegenden Betrachtung ist frontier kein Frontgebiet einer expansiven Kraft. Vielmehr ist es das Gebiet, das von der trennenden und zwei Wirklichkeiten erzeugenden Demarkationslinie (wie auch den hier aufgebotenen Akteuren und Objekten zum Schutz derselben) und den hiermit in Zusammenhang stehenden Umgangsweisen von Handelnden, deren Interessen sich nicht mit dem Schutz der Grenze in Einklang bringen lassen, bestimmt wird. Dadurch kommt es zu einer Abwandlung dieser Linie, indem diese in Bewegung gerät, zum Schwingen kommt.
Die Grenze besteht demnach aus einer Linie, wie es durch die Begriffe Grenze, granica, frontière und boundary verdeutlicht wird. Dieser Linie ist jedoch immer ein Gebiet zuzuordnen, in dem sich ihr konstruktiver Charakter zeigt, denn hier verliert sie an Klarheit. Im Deutschen lässt sich hierfür, wie schon erwähnt, das Wort Grenzgebiet verwenden und im Polnischen das Äquivalent pogranicze. Grenzgebiet und pogranicze bezeichnen dabei nicht nur eine räumliche Ausdehnung der Grenze, sie wird hier auch weicher. Hier erfährt die Grenze obendrein eine Ausdehnung in ihrer sozialen, politischen und ökonomischen Wirkung auf die Menschen in einem Grenzgebiet. In diesem Gebiet wird zugleich auf die Grenze durch die dort handelnden Menschen eingewirkt. Grenzgebiet und pogranicze liegen dabei nicht nebeneinander, vielmehr überschneiden sie sich.
Die Gesamtheit des hier behandelten begrifflichen Programms verdeutlicht die Dimensionen der Grenzthematik: Festigkeit, Stillstand und Stabilität geraten in Spannung mit Bewegung und Wandel. Die Ambivalenz der Grenze veräußert sich hier im Widerspruch von Grenzlinie und Grenzgebiet.

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Freitag, 21. Dezember 2007

(Ein Beitrag von Theresa Elze)

Die Ambivalenz der Grenze wird deutlich, wenn man Begriffe zu dem Phänomen der Grenze, wie sie in anderen Sprachen vorkommen, in die Betrachtung einbezieht. Ein Blick in das Französische ist notwendig, da es im europäischen Raum viele Untersuchungen zu den französischen Grenzen gibt (siehe zum Beispiel Braudel 1989 und Sahlins 1989). Im Zusammenhang mit Grenzen finden sich im Französischen die Begriffe fin, limite und frontière, wobei frontière heute mit den anderen Begriffen verschmolzen ist und im Französischen heute die gängigste Verwendung für Grenzen darstellt. Der französische Historiker Lucien Febvre hat neben seinen historischen Untersuchungen zu den französischen Grenzen auch die französische Begrifflichkeit der Grenze einer Betrachtung unterzogen. Das französische Wort frontière hatte in der Sprache des Mittelalters zunächst zwei Bedeutungen. Bezogen auf die Architektur bezeichnete es die Fassade einer Kirche. Die andere Bedeutung war militärisch einzuordnen und bezog sich auf die Frontlinie einer dem Feind gegenüber gestellten Truppe in einer Schlacht. Beide Bedeutungen unterstreichen die ursprüngliche Herkunft des Wortes frontière, das sich von dem Adjektiv front ableitet. Im Sinne der beiden oben genannten Bedeutungen wurde das Adjektiv schließlich als Substantiv gebraucht. Warum sich nun die Bedeutung des Begriffes insofern gewandelt hat, dass er zur Bezeichnung der Begrenzung von Boden, Land und Provinzen im territorialen Sinne verwendet wurde, lässt sich mit dem Wort ville erklären. Wie auch eine Truppe, widersetzt sich eine Stadt dem Feind mit einer Befestigungsanlage, beispielsweise in Form einer Mauer. Eine im 15. Jahrhundert bereits gängige Redewendung lautet elle fait frontière, was im deutschen die Entsprechung in der Redewendung „sie bietet die Stirn hat“. Heute wird das französische Wort frontière vielfältig gebraucht. Es ist synonym mit dem französischen Wort limite. Als die ersten kleinen Staaten entstanden, ging deren Verteidigung oft von ihrem Mittelpunkt aus und der Außenrand war gekennzeichnet durch Markierungen, die aber nicht der Befestigung dienten. Diese Markierungen lassen sich als fins bezeichnen. Die limites hingegen waren Demarkationslinien zwischen Ländereien, die im Besitz verschiedener Eigner waren. Im Vorfeld der Französischen Revolution war die Tendenz erkennbar, dass die verschiedenen Länder sich innerhalb klar umrissener Grenzen zusammenschlossen. An die Stelle der limites trat die präzise festgelegte frontière, die durchgezogene Demarkationslinie. Die Ausbildung einer politischen Souveränität, gekoppelt an einen Boden, verfestigte und stärkte die Demarkationslinie. Diese Linie, als limite bezeichnet, wurde zu einer Spalte zwischen getrennten Nationen; sie wird moralisch aufgeladen und im Folgenden als frontière bezeichnet. So sind die Bezeichnungen limite und frontière Synonyme geworden (Febvre 1953: 27ff.).

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Mittwoch, 19. Dezember 2007

(Ein Beitrag von Theresa Elze)

So schwer, wie die Grenze in ihrer konstruierten Wirklichkeit greifbar ist, so wenig klar und eindeutig ist der Begriff der Grenze, wie auch derjenige der polnischen Entsprechung granica. Es gibt zahlreiche Artikel über Grenzen, die sich zunächst den Betrachtungen des Begriffes widmen (Siehe hierzu zum Beispiel Febvre 1953, Kristof 1959; Haslinger 1999). Hier soll ebenfalls der Versuch unternommen werden, den Begriff Grenze zu konkretisieren.
Das deutsche Wort Grenze ist dem slawischen Wort grenize entlehnt. Die Herkunft des polnischen Wortes granica ist ebenfalls im Slawischen zu suchen. Demnach ist Grenze mit dem entsprechenden polnischen Wort granica verwandt. Granica ist eine Ableitung des gemeinslawischen grani, grana oder grand, das „Zweig“, „Ecke“ oder „Kante“ bedeutet und wiederum aus der indo-europäischen Wurzel ghre /ghro stammt, im Sinne von „grünen“ und „wachsen“. Die slawische Herkunft von granica verweist also auf die Überschneidung der zwei Merkmale „pflanzlich“ und „spitz“ (Pille 2003: 22).
Diese beiden Merkmale, verweisen dabei auf die Bedeutung des Wortes granica, welche im engeren Sinne für „Grenzzeichen“ steht. Das Merkmal „pflanzlich“ resultiert dabei aus der historischen Verwendung von Bäumen mit auffälligem Wuchs, die zur Markierung von Grenzen dienten. Außerdem wurde der Begriff granica für die Bezeichnung der Grenzlinie selbst angewendet, ihren Verlauf von einer Grenzmarkierung zur nächsten (Karp 1972: 147). Die Verwendung des Wortes granica als Grenzlinie findet seine Wurzeln somit in den Bedeutungen von „Ecke“ und „Kante“, die linienartig auf eine Begrenzung des Raumes verweisen und zum Beispiel an die Ecken und Kanten eines Hauses erinnern, denn dort, wo die Wände eines Hause den Boden eingrenzen, entstehen Ecken.
Grenize wurde als Grenze im 14. Jahrhundert von den Brüdern der Deutschordensgemeinschaft übernommen. Damals taucht der Begriff in der politischen Literatur des Ordens auf. Literarische Geltung erhielt der Begriff jedoch erst im 16. Jahrhundert, mit seiner Verwendung durch Luther in dessen Bibelübersetzung (Grimm: Deutsches Wörterbuch. 1935: 124ff). Seither hat er in vielen Bereichen in zahlreicher Variation Anwendung gefunden. In den Wörterbüchern der deutschen Sprache sind mehrere Definitionen verbreitet. Hier ist die Grenze einmal eine „Linie, die zwei Grundstücke, Staaten, Länder oder Bereiche voneinander trennt“, zum anderen wird sie mit den Begriffen „Schranke, Beschränkung und Rahmen“ synonym gesetzt. Und in einer dritten Erklärung kann die Grenze sogar ein „Punkt“ sein, „an dem zwei verschiedene Sachen, Zustände voneinander zu unterscheiden, zu trennen sind“ (Brockhaus. Wahrig: Deutsches Wörterbuch. 1981: 298f.). Diese Definition macht deutlich, dass die Grenze zunächst in Hinblick auf ihren Trennungsaspekt definiert wird.

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